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    Wie entsteht ein GORE-TEX Schuh?

    Andreas Marmsoler
    Andreas Marmsoler

    In der ehemaligen Schuhproduktionshochburg Pirmasens steht das ISC, das International Shoe Competence Center, und dort kann man lernen, wie man einen GORE-TEX Schuh herstellt. Das muss ich mir genau anschauen! Bevor es aber ans handwerkliche Arbeiten am Schuh geht, führt Dozent Joachim Horzella durch die Schuhhistorie. Da erfahre ich, dass die ersten Schuhhersteller vor etwa 100 Jahren nur eine Schuhleiste für den linken und rechten Fuß bauten, es gab also zuvor kein links und rechts! Schuhleisten benötigt man um eine bestimmte Schuhform zu erstellen und zu designen. Bei einer Schuhleiste für beide Füße vertauschte man zumindest nicht den linken mit dem rechten Schuh. Sicherlich aber für beide Füße sehr unangenehm zu tragen und daher wurden dann im Lauf der Zeit wohl auch rechte und linke Schuhleisten gebaut. Wenn man einen Schuh produziert, muss man sich vorab überlegen, wie er aussehen soll: welchen Schaftschnitt nehme ich? z.B. Derby, Oxfort, Pumps oder Chelsea Boot. Welche Machart – genäht, geklebt oder angespritzt? Welche Schuhform solle es sein, spitz oder rund? Wie hoch soll die „Sprengung“ sprich der Absatz sein? Und natürlich auch den entsprechenden Leisten inklusive Leistenmaße wie Ballenmaß, also die Fußballenbreite, Ristmaß, das ist die Umrandung von der Fußsohle zum Rist oder das Fersenmaß, das bestimmt die Höhe von der Ferse zum Rist. [gallery size="full" columns="9" ids="3530,3529,3539,3526,3524,3528,3537,3532,3533"]

    Die passende Schuhgröße zu finden, ist eine eigene Wissenschaft

    Ein Thema treibt mich besonders um: das Maß der Schuhgröße. Meine Schuhgröße ist etwa 43. Aber es gibt eben unterschiedliche Messgrößen wie etwa die englische Maßeinheit (zB. entspricht die englische Schuhgröße 9 der Schuhgröße 43), den französischen Stich (das wäre dann zB. Größe 43), Mondopoint – wird vor allem bei Skistiefel oder beim Militär als Maß benutzt und hier entspricht Größe 43 dem Maß 28,5 – und ein metrisches Längensystem. Wenn ich Schuhe anprobiere, dann passen mir je nach Hersteller mal 43 oder 43,5. Warum es so unterschiedlich ist, weiß ich jetzt, denn es hängt vom Schaftschnitt und den Leistenmaßen ab. Außerdem sagt Joachim Horzella, dass die Ballenbreite noch ausschlaggebend sein kann. Hier gibt es auch unterschiedliche Maße: französische Skala zwischen 1 (schmal) und 10 (breit) und eine englische Skala A (schmal) bis K (weit). Das alles ist schon ein bisschen verwirrend und daher empfiehlt Horzella mit jedem neuen Schuh mal im Laden rumzulaufen, bevor man ihn kauft. Und generell gilt: Schuhe sollte man nachmittags kaufen, da der Fuß dann seinen vollen Umfang hat. Wie viele Komponenten für die Herstellung eines Schuhs benötigt werden, erstaunt mich dann doch: der Vollständigkeitshalber zähle ich mal alle auf: Oberschaft, Vorderkappe, Brandsohle, Laufsohle, Absatz, Hinterkappe, Innenfutter, Schnürsenkel, Membranen, wie eben die GORE-TEX Membrane und zusätzliche Hilfsstoffe wie etwa Nähfaden. Da kommen allein für einen guten Babyschuh schon gut und gerne bis zu 30 Teile zusammen. Einiges lerne ich dann auch noch über die Anatomie des Fußes und Biomechanik. Eine eher trockene Materie, aber essentiell für die Schuhproduktion. 28 Knochen hat der Fuß und etwa 240.000 Schweißdrüsen – ein Drittel davon etwa an der Fußsohle. Außerdem erfahre ich, dass die Schuhkonstruktion Einfluss auf den Bewegungsablauf hat. Entsprechend sollten die Schuhkomponenten und –Materialien so gewählt werden, dass sie den „Schock“ beim Fußaufsetzen absorbieren. Woran man alles denken muss bei der Schuhproduktion ist schon erstaunlich.

    Ein Schuh nimmt Form an!

    Nun geht es endlich los: ich mache heute eine Herrenlederschuh. Die Herstellung startet beim Schnitt. Ich positioniere das Leder so, dass die Teile, die von der Laserschneidemaschine ausgeschnitten werden, möglichst wenig Abfall produzieren. Da sollte man schon eine sehr ruhige Hand haben, wenn man das Computerbild auf das Stück Leder zieht. Noch schwieriger ist es jedoch, wenn ich das Leder mit einem Zuschneidemesser nach einer Schablone ausschneide – eine ruhige Hand ist hier erst recht vonnöten. Das Innenfutter wird ausgeschnitten und anschließend auf dem Leder fixiert. Das funktioniert mit einer auf 136 Grad Celsius erhitzten Presse. Danach wird mit einer Nähmaschine genäht. Hier gilt: der Nähfaden bestimmt die Größe der Nadel. Ein nervöser Fuß ist ganz falsch am Platz und das merke ich auch sofort, denn schon nähe ich schief. Nach all dem Nähen wird noch die Vorderkappe mittels einer Presse eingemacht. Das ist sehr einfach und danach geht es in die Montage bzw Zwickerei. Im Schaftfersenbereich wird eine Hinterkappe eingesetzt und danach geformt, damit der Schuh auch eine gewisse Form erhält. Wenn die Hinterkappe nicht sauber eingesetzt wird, dann können Falten entstehen und die führen bekanntermaßen zu sehr unangenehmen Blasen an den Füßen. Daher Augen auf in der Lasting Abteilung. In einem Schaft-Dampf-Aktivier-Gerät wird das Leder weich gemacht, damit ich den Schaft gut über den Leisten ziehen kann und im Anschluss führe ich den gezwickten Schaft und Sohle zusammen. Zunächst geht es zum Spitzzwicken genannt auch „Überholen“. Auch hier geht es um die Passform sodass der Schuh auch im vorderen Bereich eine gewisse Stabilität und Form erhält. Danach Seiten- und Fersenzwicken. Und wie sollte es auch anders sein: auch hier wieder eine Maschine, die mit Kabelsalat überhäuft ist. Deren Name: „Seiten-Fersenzwickmaschine“. Nächster Schritt: erwärmen und abkühlen, damit das Leder sich schön und optimal an den Leisten formt. Das nennt der Fachmann: heatsetting & coolsetting. Dabei wird der aufgezwickte Schaft unter Wasserdampf erwärmt und danach mit warmer Luft getrocknet. Im coolsetter wird der Schaft wieder abgekühlt und damit behält der Schaft seine neue Form. Zum Schluss noch die Sohle drauf - wieder 2 Maschinen, eine um den Kleber aufzutragen und eine um das zusammenzupressen. Und fertig ist der Schuh. So, nun bleibt die Frage: bei welchem Arbeitsschritt ist denn die GORE-TEX Membrane eingearbeitet? Da es verschiedene GORE-TEX patentierte Schuh-Konstruktionen gibt, die in den Schuh eingebaut werden, kann man auch nicht bei allen Schuhen denselben Punkt festlegen, an dem dieser Schritt erfolgt. Eine Möglichkeit ist der sogenannte GORE-TEX "Bootie" Hausintern nennen wir ihn auch "Socke". Und der Bootie sieht tatsächlich so aus! Wenn er in den Schuh eingebaut wird, wird er mit dem Oberschaft zusammengenäht und kommt dann auf den Leisten. Sobald die GORE-TEX Membrane in einem Prototypen verarbeitet ist, wird er im Gore Labor auf Herz und Nieren geprüft, ob er hält was die Marke verspricht: sowohl wasserdicht als auch atmungsaktiv zu sein. Mein persönliches Fazit: es ist ganz schön kompliziert einen qualitativ hochwertigen GORE-TEX Schuh herzustellen, hat mir aber sehr viel Spaß gemacht!

    Andreas Marmsoler Andreas Marmsoler

    Andreas Marmsoler

    Seit 2011 ist Andreas bei W. L. Gore & Associates für PR & Sponsoring zuständig. In Südtirol geboren und aufgewachsen wurde ihm seine Leidenschaft für die Berge praktisch in die Wiege gelegt. Seine freie Zeit verbringt er daher auch am liebsten mit Skifahren, Langlaufen oder Wandern. Auf dem GORE-TEX Blog freuen wir uns über spannende Beiträge zu unseren GORE-TEX Athleten und Events .

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