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    Klettern, Skifahren, Überleben: Tom Lafailles Verhältnis zum Risiko

    Team Gore
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    Für den französischen Skifahrer und Kletterer Tom Lafaille ist jede Aktion am Berg eine Entscheidung zwischen Risiko und Belohnung – ein Abwägen der Gefahr, mit Demut und Respekt vor den Bergen.

    Wie einer meiner Freunde immer sagte: „Nicht die Berge sind gefährlich, sondern die Art, wie wir mit ihnen umgehen, wie wir uns in den Bergen verhalten; das kann gefährlich sein.“

    Für den französischen Skifahrer und Kletterer Tom Lafaille war das Risiko in den Bergen immer präsent. Er wuchs damit auf. Sein Vater Jean-Christophe Lafaille war einer der besten Alpinisten seiner Generation, der die höchsten Gipfel der Welt im alpinen Stil ohne zusätzlichen Sauerstoff bezwang. 2006 kam er von einer Winterbesteigung des Makalu, die er allein versucht hatte, nicht zurück. Er wird seitdem vermisst. Tom war damals noch ein Kind.

    „Ich habe nicht wegen meines Vaters mit dem Klettern angefangen“, erzählt Tom. „Ich habe mich beim Kletterverein angemeldet, weil ich einfach mal einen anderen Sport ausprobieren wollte. Die Berge haben mich am Anfang gar nicht interessiert.“

    Doch schnell wurde das Skifahren seine Leidenschaft – und bald auch das Klettern. Mit 18 Jahren war er schon auf dem besten Weg, einer der jüngsten Bergführer Frankreichs zu werden, und mit Anfang zwanzig wagte er sich bereits in extreme Steilhänge, in denen jeder Schwung präzise sitzen muss.

    „Steep Skiing ist Skifahren auf Hängen mit einer Neigung von mindestens 40 oder 45 Grad. Wenn du stürzt, muss das zwar noch nicht das Ende sein. Aber es gibt auch Felskanten oder sehr enge Rinnen, die keinen Fehler verzeihen.“

    Die Tragkraft dieser Abwägungen wurde ihm vor eineinhalb Jahren bewusst. Tom war in Begleitung und mit einer vertrauten Crew unterwegs. „Ich schaute gerade über eine Felskante und dachte mir noch ‚Hier möchte ich nicht stürzen‘, als uns die Lawine traf. Wir beide flogen über die Kante und wurden 300 Meter weit mitgerissen. Es war ein langer Sturz, wir prallten oft auf. Ich kannte das Gelände gut, war auch schon als Bergführer dort unterwegs. Ich dachte, das können wir auf keinen Fall überleben.

    Tom verletzte sich an der Schulter, kam aber mit dem Leben davon. „Wenn ich daran zurückdenke, dann sollte ich jetzt eigentlich nicht hier sein. Ich hatte Glück, aber ich habe auch gekämpft, mein Gesicht und meine Brust geschützt. Trotzdem war das der Moment, in dem ich mir ganz sicher war, dass es das jetzt gewesen war.“

    Diese Erfahrung hat Spuren hinterlassen. „Risiko ist nichts Abstraktes“, beschreibt er es. „Es steckt in jeder Entscheidung. Wohin du dein Gewicht bei einem Schwung verlagerst, ob du abbrichst, wenn sich das Wetter ändert, oder ob du weitergehst, wenn du kurz vor dem Gipfel bist. Diese Entscheidungen betreffen nicht nur dich selbst, sondern auch deine Familie, deine Freunde, deine Community. Wenn ich ein Risiko eingehe, dann muss ich es tragen. Aber die Konsequenzen ... die treffen alle.“
     

    Im Juli 2023 wagten Tom und die polnische Skifahrerin Anna Tybor die bisher nur von wenigen versuchte Skiabfahrt am Broad Peak, einem 8.051 Meter hohen Berg an der Grenze zwischen Pakistan und China. Für Tom war es der erste 8.000er. „Es war eine sehr lange Abfahrt“, erzählt er. „Zwischen 7.900 und 8.000 Metern gibt es einen kilometerlangen Grat. Wir sind ohne Sauerstoff und ohne Träger vom Gipfel abgefahren. Nur wir beide.“ Bei einem früheren Versuch zwang ihn ein Sturm nur 60 Meter unter dem Gipfel zum Umkehren. „Auf 8.000 Metern Höhe, in einem Sturm mit Blitzen und starkem Wind, fühlst du dich sehr klein. Die Entscheidung war klar, es gab keine andere Option, als umzukehren. Das war völlig ok für mich. Die Berge laufen nicht davon. Ich habe schließlich noch einiges vor im Leben.“

    Tom scheut das Risiko nicht, er akzeptiert es als Teil seines Sports. Aber er setzt sich sehr bewusst damit auseinander. „Es ist kein Spiel. Wir sind nicht im Stadion. Man braucht sehr viel Wissen. Wenn wir 3.000 Meter abfahren, ohne zu stürzen, dann weil wir vorher auf ähnlichen Routen über 1.000 und 2.000 Meter trainiert haben. Man muss die Erfahrung aufbauen.“ Manchmal bedeutet Erfahrung auch Selbstbeherrschung. „An manchen Tagen weißt du, dass alles passt, also atmest du tief ein und sagst dir, okay, heute bin ich bereit, das Risiko einzugehen. An anderen Tagen drehst du um.“ Für Tom ist es das Gleichgewicht aus beidem, was ihn immer wieder antreibt. „Die Berge verlangen dir viel ab, aber sie geben dir auch viel. Wenn ich eine schwierige Route geschafft habe, dann fühlt es sich an, als kämen 20 Jahre Abenteuer in diesem einen Moment zusammen. Das gibt mir Selbstvertrauen. Dann fühle ich mich lebendig.“

    Den Bergen sind unsere Ambitionen oder Namen egal. Sie stehen unbewegt da, während wir auf selbst gesteckten Routen unsere Spuren auf ihnen hinterlassen. Für Tom geht es dabei nicht um den Adrenalinkick oder sein Ego. Er lässt sich leiten von seinem Wissen, von Demut und Respekt vor dem Gelände. Es ist eine permanente Gratwanderung, in dem Wissen, dass das Überschreiten dieser roten Linie ihn alles kosten könnte, aber dass er dadurch erst Erfüllung in seinem Leben findet.

    Erfahre mehr über die Geschichte von Tom in der neuesten Folge unserer Breaking Trails Serie.

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    Team Gore

    Wir vom Team Gore sind Abenteurer im Herzen und Storyteller von Beruf. Das Gore-Team verbindet leidenschaftliche Abenteuer mit professionell aufbereiteten Beiträgen und gewährt dir einen Blick hinter die Kulissen der Marke GORE-TEX. Von innovativen Produkttechnologien bis hin zu inspirierenden Outdoor-Erlebnissen – mit unseren Beiträgen fühlst du dich mit der Natur verbunden und bist bestens gerüstet für dein nächstes Abenteuer.

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