In der BMW-Welt in München ging am 9. Oktober der offizielle Start der European Outdoor Film Tour - E.O.F.T. 18/19 über die Bühne. Zwischen High-Tech SUVs, stylischen Boxer-Moppeds und Rolls Royce Limousinen wanderte man in Richtung des rotbeflaggten Eingangs der E.O.F.T. 18/19 Premiere und wechselte damit von der Auto- in eine Outdoor-Welt.
Zum 18. Mal geht die E.O.F.T. 18/19 an den Start und es ist ein programmatischer Balanceakt, den die Film Tour auch heuer wieder leisten musste: Einerseits Outdoor-Filme auf hohem Niveau darzubieten, dabei ein Bewusstsein für Mensch, Sport und Natur an den Tag zu legen, verschiedene Aktivitäten zu zeigen sowie unterschiedliche Blickwinkel und Herangehensweisen zu präsentieren – das ist nicht einfach. Die Filmauswahl wurde dem gerecht – mit echten Höhepunkten und kleineren Tiefen.
Das Gesicht der E.O.F.T. 2018/19 ist Adam Ondra, momentan der absolute Klettersuperstar. Der Tscheche war bei der Premiere anwesend und beeindruckte mit seiner Freundlichkeit und einem klaren Blick auf das Klettern (auf SEIN) Klettern. Adams Film heißt „The A.O.“ (Regie: Jochen Schmoll) und erlaubt Einblicke in die Psyche eines Kletterers. Falsch: In die Psyche DES Kletterers. Denn was Adam da abzieht, verschiebt Grenzen und sprengt die Vorstellungskraft eines „normalen“ Vertikalathleten. Adam klettert einen 10er mit verbundenen Augen, er setzt Visualisierungstechniken ein und trainiert zusammen mit Physiotherapeuten und ehemaligen Balletttänzern seine Körperwahrnehmung, um eine Sportkletterroute im Fels meistern zu können, an der er mit seinen bisherigen Möglichkeiten nicht mehr weiter kam. Das zeichnet Adam als Visionär aus. Er verschiebt nicht nur sportlich die Grenzen des Machbaren und kreierte die momentan schwierigste Route der Welt im neuen Schwierigkeitsgrad 9c, sondern erweitert auch die Denkmuster, wie ein solcher Fortschritt erreicht werden kann.
Doch vor Adams Auftritt begeisterte der Film „8000+ “. Hört sich banal an – Leiden und Sterben und Frieren und Schnaufen und Gipfelsieg (oder auch Scheitern) an einem 8000er. Gähn, alles schon gesehen. ABER: Es kommt ganz anders. Da fliegt ein Franzose, der sich seine Brötchen als Informatiker an der Uni Grenoble verdient, mit einem Gleitschirm durch den Karakorum. Alleine, ohne Backup, ohne Unterstützung. Wochenlang ist er unterwegs, quasi auf Solo-Trekkingtour durch die Lüfte. Er filmt sich selbst, landet an den abgelegensten und oft gefährlichen Stellen, um am nächsten Morgen (wenn er nicht tagelang eingeschneit wird) wieder zu starten und sich langsam an den 8051 Meter hohen Broad Peak heranzutasten. Antoine Girard war bereits zwei Mal bei der Besteigung dieses Berges gescheitert. So kam ihm die Idee: Dann flieg ich halt drüber! Soviel sei verraten: Er hat es geschafft und seine Freude darüber ist sowas von echt, unverfälscht und spürbar. Antoine flog 100 Meter über den Gipfel und stellte dabei einen Höhenrekord im Gleitschirmfliegen auf.
Auf dem Boden geblieben ist dagegen Tom Belz. Er verlor als Kind ein Bein durch Krebs und hat sich irgendwann in den Kopf gesetzt, auf den Kilimandscharo zu steigen. Er ist kein Bergsteiger. Trotzdem der Kili. Warum? Das wird leider nicht so richtig klar, Ziel und Motivation bleiben etwas beliebig. Dennoch ist „Mbuzi Dume“ eine bewegende Geschichte, zumal der Arzt, der Tom das Bein amputierte und ihm somit das Leben rettete, mit von der Partie ist. Es geht also weniger um den Berg, die absolute Leistung oder die krassesten Bilder, sondern um Willensstärke, Hilfe, Glaube und Hoffnung. Dank Unterstützung durch die Träger erreicht Tom den Gipfel. Sie nennen ihn Mbuzi Dume – Strong Goat. Wie es in Afrika anscheinend üblich ist, wird viel gesungen und getanzt auf dem Weg zum Kilimandscharo. Tom war – wie viele Protagonisten der Filme – in München mit dabei und nach seinem Film sorgte dann eine Live-Band mit dafür, dass das Hakuna Matata Lebensgefühl auch auf das EOFT Publikum übersprang [ein bisschen Inspiration]
Mit diversen Lachern quittierte das Publikum den Animationsfilm "Viacruxis". Sein Schöpfer Ignasi López steckte unglaublich viel Arbeit und Liebe in diesen kurzweiligen Stop-Motion Film, der Bergleidenschaft, Heldentum und Spitzenalpinismus gleichermaßen ernst nimmt und vergackeiert. Nahezu alle Klischees werden bedient und so mancher dürfte sich in den Figuren Andreiz Kozajkowski und Marcel Lechèvre wiedererkennen.
Ein anderes Kaliber war der abschließende Film „North of Nightfall“. Wer Bike Downhill Action mag: Gute Bilder. Die man aber schon (zu) oft gesehen hat. Auf Axel-Heiberg-Island, einer unbewohnten Insel nördlich des Polarkreises, shredden ein paar Bike-Heroen krasse Lines, natürlich die „awesomesten“ und höchsten überhaupt, Backflips, mal stürzt einer, und diese Szene wird – weil sie ja so schön krass ist – gleich nochmal gezeigt. Damit das Egotrip-Abenteuer aber nicht zu hedonistisch rüberkommt, wird der Film aufgeladen mit einer hohlen Umweltbotschaft, indem die Athleten eine Forschungsstation besuchen, um die Dringlichkeit des Klimaschutzes zu betonen.
Von den Bildern her war der Film beeindruckend, konzeptionell aber der unnötige Tiefpunkt des E.O.F.T. 18/19 Premierenprogramms, bei welchem zwei Filme des späteren Gesamtprogramms nicht gezeigt wurden: Besucher der EOFT können sich also außerdem noch auf „The Frenchy“ freuen, einen Mountainbiker, der wahrscheinlich in krassem Gegensatz zur arktischen Downhillaction des oben genannten Films steht. Und was wäre die E.O.F.T. 18/19 ohne einen Ski- bzw. Snowboardfilm? „Frozen Mind“ zeigt in kompakten 6 Minuten, wie Victor de le Rue und Pierre Hourticq ihren Spielplatz rund um Chamonix rocken.
Der Balanceakt, den die E.O.F.T. Jahr für Jahr vollbringen muss und möchte, ist geglückt. Die Mischung aus acht Filmen, die eine riesige Bandbreite an Action, Themen und Gefühlen liefert, bietet Outdoor-Inspiration und Unterhaltung auf höchstem Niveau und lässt den Betrachter wieder gesättigt zurück – auch wenn einem hier und da mal eine Zutat nicht so schmeckt. Bis zum 7 Februar 2019 gastiert die Film Tour fast täglich in einer anderen Stadt.
Genügend Gelegenheiten, einpassende Vorstellung zu finden.