Bei vielen Produkten, so auch bei Kleidungsstücken, kann eine längere Nutzungsdauer den ökologischen Fußabdruck verringern. Aber in der Textilbranche gibt es noch keine einheitliche Methode, um Langlebigkeit zu bewerten und zu vergleichen. Diese Lücke möchten wir mit unserem Projekt schließen.
Wenn es um die Umweltauswirkungen von Bekleidung geht, ist Langlebigkeit ein entscheidender Faktor. Studien zufolge lässt sich der ökologische Fußabdruck eines Kleidungsstücks beinahe halbieren, wenn man es doppelt so lange nutzt. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass der CO2-, Abfall- und Wasserverbrauch bei einer verlängerten Nutzungsdauer von nur neun Monaten bereits um 20 % gesenkt werden kann.[1][2] Trotzdem zeigt der Trend in der Textilindustrie weiterhin in die entgegengesetzte Richtung – es wird immer mehr Kleidung von geringerer Qualität produziert, die von Anfang an nicht auf eine lange Lebensdauer ausgelegt ist.
Langlebigkeit ist ein entscheidender Faktor für Nachhaltigkeit, aber bis heute gibt es in der Textilindustrie keine einheitliche Methode, um zu bewerten oder zu vergleichen, wie lange Endprodukte – das gilt nicht nur für Textilien – wirklich halten. Ohne diese Methode kann Langlebigkeit nicht in vollem Umfang als Kriterium für Nachhaltigkeitsstandards, Richtlinien oder Verbraucherentscheidungen einbezogen werden.
Dies hat zur Folge, dass Regulierungsbehörden in den USA und der EU zwar an der Entwicklung von Methoden zur Bewertung der Nachhaltigkeit arbeiten, aber solange der Aspekt Langlebigkeit nicht berücksichtigt wird, bleibt das Gesamtbild unvollständig. Wird ein Produkt wesentlich länger genutzt und hält länger, lässt sich der ökologische Fußabdruck aus der Herstellung ausgleichen, da keine Notwendigkeit mehr besteht, ein weiteres oder neues Produkt zu produzieren bzw. zu kaufen. Deshalb lautet unsere Zielsetzung: Langlebigkeit muss als Kriterium für Nachhaltigkeit bewertet und anerkannt werden. Denn langlebige Produkte sind definitiv eine Möglichkeit, um die ökologischen Auswirkungen schrittweise zu verringern.
„Langlebigkeit gilt allgemein als wichtiger Faktor für Nachhaltigkeit, aber eine umfassende Berücksichtigung ist nicht möglich, solange es keine einheitliche Bewertungsmethode gibt."
Auch die Erwartungshaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher geht in diese Richtung. Eine EU-Umfrage ergab, dass 88 % der europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher der Meinung sind, dass Kleidungsstücke länger halten sollten.[3] Die Angaben könnten in Form einer Sternebewertung auf Produktetiketten kommuniziert werden, aber für Bekleidung gibt es aktuell noch kein entsprechendes Bewertungssystem. Die Einführung klarer Aussagen zur Langlebigkeit könnte einen positiven Wandel in der gesamten Branche bewirken, die Marken zu Verbesserungen anregen und Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit geben, bessere Kaufentscheidungen zu treffen.
Genau an dieser Stelle sah Gore Fabrics einen möglichen Ansatzpunkt, die seit langem bestehende Herausforderung im Rahmen eines gemeinschaftlichen Projekts in messbare Ergebnisse umzuwandeln.
Zusammenarbeit als Chance
Ich bin seit einigen Jahren bei Gore Fabrics und arbeite eng mit Wissenschaftlern, Aufsichtsbehörden, NGOs und anderen Nachhaltigkeitsexperten zusammen. Da ich schon lange in der Textilindustrie tätig bin, kannte ich die Herausforderungen: steigende Mengen, sinkende Qualität und keine einheitliche Methode zur Bewertung von Langlebigkeit.
Ich wusste, dass es bei Gore riesige Labore gibt, in denen die Funktionseigenschaften getestet und gemessen werden, aber mir war nicht bewusst, welch tiefgreifendes technisches und methodisches Fachwissen für die Messung von Langlebigkeit dort vorhanden war. Einen Teil dieses Wissens für einen gemeinsamen Zweck zu teilen und mit Partnern aus der Branche zusammenzuarbeiten, um echte Veränderungen zu bewirken, sah ich als echte Chance. Ich habe darüber nachgedacht, wie wir einen Wettlauf für Spitzenqualität bei Textilien anstoßen könnten – als Gegenstück zum aktuellen Trend hin zu minderwertiger Qualität, wie wir ihn derzeit oft erleben.
Als ich mich mit meiner Idee zur Zusammenarbeit an Kollegen und Partner wandte, stieß ich sofort auf Interesse. Im nächsten Schritt musste eine Forschungseinrichtung gefunden werden, die auf Funktions- und Sportartikel spezialisiert war. Die Wahl fiel auf das Sports Tech Research Centre der Mid Sweden University. Dort wurde bereits seit längerem erforscht, wie sich die Funktionseigenschaften von gebrauchten Outdoor-Jacken mit zunehmender Nutzung verändern. Mit fortschrittlichen Einrichtungen wie etwa einer Klimakammer zur Simulation von Wind und Regen waren sie der ideale Projektpartner.
Aufbau der Zusammenarbeit
Wir baten die Universität, ihre Forschung auszuweiten und sich dabei auf die umfassende Bewertung der Langlebigkeit von wasserdichten, atmungsaktiven Jacken zu konzentrieren. Das war der Startschuss für das Projekt. Heute sind etwa 45 Unternehmen daran beteiligt, darunter Marken wie Patagonia, The North Face, Arc’teryx und Fjällräven sowie öffentliche Beschaffungsstellen wie Polizeibehörden, die auf Arbeitskleidung mit zuverlässigen Funktionseigenschaften angewiesen sind.
Um sicherzustellen, dass die Methode auf den gesamten Markt anwendbar ist, haben wir uns auch intensiv darum bemüht, andere Hersteller von Membrantextilien einzubinden. Obwohl diese Unternehmen als Mitbewerber gelten, signalisiert ihre Beteiligung das gemeinsame Bestreben, das Bewusstsein innerhalb der gesamten Branche zu fördern. Auch wenn der Anstoß für das branchenweite Projekt von Gore Fabrics kam, erfolgt die Ausführung der Forschungsarbeiten unter der Leitung der Mid Sweden University und wird vollständig von der EU finanziert. Diese Unabhängigkeit ist wichtig für die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit und entscheidet darüber, ob sich daraus eine direkte Auswirkung auf die Gesellschaft, die Branche und letztendlich auch die Umwelt ergibt.
Viele Unternehmen führen bereits Qualitätstests durch, beispielsweise wie wasserdicht oder farbecht ein Produkt ist. Doch oft liegt der Fokus dabei auf neuen Produkten und weniger darauf, wie sich die Performance im Verlauf der Zeit entwickelt. Der Ansatz der Studie untersucht anhand von Beispielen aus der Praxis, wie und warum Outdoor-Jacken ihre Funktionseigenschaften verlieren und welche Faktoren letztlich für das Ende der Produktlebensdauer ausschlaggebend sind. Dies hilft bei der Simulation von Alterungsprozessen und ermöglicht gezielte, praxisorientierte Tests.
Was wir von gebrauchten Jacken lernen können
Um die Methode zu entwickeln, trug die Universität zunächst abgenutzte Jacken von echten Nutzern zusammen und untersuchte, welche Schwachstellen zuerst auftraten und warum. Wodurch wird die Alterung ausgelöst? Gibt es bei unterschiedlichen Marken, Membranen und Einsatzbereichen gemeinsame Schwachstellen? Dabei spielen Faktoren wie Abnutzung, Schweiß, UV-Licht, Waschen, Cremes und Schmutz eine Rolle.
Nach einer Sichtprüfung wurden die Jacken an Prüfpuppen in der Klimakammer der Mid Sweden University sowie in unserem eigenen Regenraum getestet, um undichte Stellen zu identifizieren. Eine wichtige Erkenntnis war, dass die Lebensdauer einer Jacke maßgeblich von der Widerstandsfähigkeit der Membran abhängt – ob sich die einzelnen Lagen ablösen oder ob sie reißt. Reißverschlüsse und Löcher lassen sich zwar reparieren, aber wenn die Membran nicht mehr funktioniert, hat die Jacke damit im Grunde „ausgedient“. Die Tests haben auch gezeigt, dass die Konstruktion, also die Art und Weise, wie die Jacke gefertigt wurde, eine ebenso große Rolle spielt. Das Hauptmaterial kann noch so hochwertig sein – wenn die Nähte nicht standhalten, wird die Jacke undicht.
Eine weitere Erkenntnis ist, dass die Funktion einer Jacke nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist: Manche Jacken hatten sichtbare Abnutzungserscheinungen, die Funktion war aber nach wie vor einwandfrei, während andere äußerlich zwar neuwertig wirkten, aber trotzdem undicht waren. Das deckt sich auch mit unseren internen Forschungsergebnissen: Deshalb wird bei jedem GORE-TEX® Produkt das Modell (das spezifische Produktdesign) nach festgelegten Kriterien getestet und freigegeben noch bevor es in die Produktion geht.
Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Nutzerinnen und Nutzer maßgeblichen Einfluss darauf haben, wie lange eine Jacke hält. Bei der Untersuchung der Jacken zeigte sich deutlich, dass Waschen und Pflegen die Lebensdauer stark beeinflussen können.
Diese Erkenntnisse dienen nun als Basis für die Entwicklung eines standardisierten Labortests für Langlebigkeit, der branchenweit anwendbar ist. Durch die Definition von Mindestanforderungen und Leistungsniveaus wird es in Zukunft möglich sein, unterschiedliche Jacken zu vergleichen und herauszufinden, welche am längsten halten.
Going Further, Together
Die Textilindustrie benötigt tiefgreifende Veränderungen – und wir wissen, dass Zusammenarbeit dabei eine entscheidende Rolle spielt. Bei Gore sprechen wir oft von „Going Further, Together“ – einer Philosophie, die auf den Punkt bringt, wie wir Nachhaltigkeit gemeinsam vorantreiben möchten. Durch die Zusammenarbeit mit Partnern aus der gesamten Branche können wir Produkte für die Zukunft verbessern. Entscheidend dafür ist, dass es uns gelingt, eine einheitliche Methode zur Bewertung von Langlebigkeit zu etablieren. Wir freuen uns, dass wir auf diesem Weg bereits ein gutes Stück vorangekommen sind.
Quellen:
[1]Chalmers University Of Technology, “Environmental Assessment Of Swedish Clothing Consumption – Six Garments, Sustainable Futures,” (2019)
[2] Wrap, “Extending Product Lifetimes: Wrap’s Work On Clothing Durability,” (January 2024)
[3] European Environmental Agency, “Textiles And The Environment In A Circular Economy,” (November 2019)