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    Hohe Handschuh-Kunst

    Petra Rapp
    Petra Rapp

    Die diversen Testmuster, die in verschiedenen Farben und Ausführungen vor uns liegen, fühlen sich schon mal gut an beim Reinschlüpfen. „Wir wollten einen Handschuh entwerfen, der perfekt sitzt, ein sehr gutes Wärme- und Feuchtigkeitsmanagement bietet und den man nicht ständig An- und Ausziehen muss, wenn man mal eben einen Energieriegel öffnen oder in die Jackentasche greifen muss“, erklärt Florian Stark, GORE-TEX Produktspezialist Gloves & Accessoires. Die neuen Multifunktionshandschuhe von GORE® Wear sind das Ergebnis einer neuartigen 3D-Handschuhkonstruktion. Um zu verstehen, wie viel Entwicklungsarbeit und Know-how darin steckt, sind wir hier. Ein Workshop, bei dem wir erleben sollen, wie die Technologie in einem Produkt lebendig wird, und weshalb wir uns selbst unser eigenes Handschuhpaar schneidern werden. Denn: „Wenn du was selbst machst, ist der Eindruck immer intensiver“, sagt GORE-Mitarbeiter Patrick Goerdes. Stimmt, wie sich herausstellen soll.

    Ein sehr komplexes Körperteil

    Gute Handschuhe zu fertigen ist eine ähnlich hohe Kunst wie einen guten Schuh. Denn wie der Fuß ist auch die Hand mit ihren 27 Knochen eines der komplexesten wie auch individuellsten Teile im menschlichen Körper, „und eines der sensibelsten Organe, das wir haben“, erklärt Florian. Die große Herausforderung für einen Handschuhhersteller: einen Handschuh zu produzieren, der in alle Richtungen möglichst beweglich ist sowie je nach Sportart bestmöglichen Schutz, Wärme, Grip und Taktilität garantiert. Wo sollen Nähte verlaufen, wo nicht? Wo machen Gelpads Sinn? „Der Einsatzbereich ist sehr wichtig für die jeweilige Konstruktion eines Handschuhs. Wir arbeiten hier in der Produktentwicklung sehr eng mit unseren Athleten zusammen. Mountainbiker wollen beispielsweise keinen Schnickschnack, sondern möglichst viel Grip.“ Was aber immer mehr wollen, ist Multifunktionalität. „Den klassischen Radfahrer oder Läufer gibt es kaum mehr. Inzwischen sind fast alle Multisportler. Der Großteil der Verbraucher denkt breiter und will sich auch bei Produkten nicht limitieren lassen“, so Jürgen Kurapkat von GORE® Wear. Nicht mehr limitieren wollte sich GORE auch selbst bei der Produktentwicklung und brachte deshalb im Herbst 2018 die neue Produktmarke GORE-TEX INFINIUM™

    auf den Markt. Dort werden bei GORE jetzt alle Produkttechnologien geführt, die jenseits von „wasserdicht und atmungsaktiv“ positioniert sind und den Fokus auf „Komfort und Schutz“ legen. „Durch GORE-TEX INFINIUM™ sind wir jetzt viel freier in der Produktentwicklung und in den Kombinationsmöglichkeiten der Technologien, weil sie nicht mehr wasserdicht sein müssen. So können wir noch viel funktionellere, zielgruppenorientiertere Produkte anbieten.“

    Mehr Taktilität durch weniger Nähte

    Die zwei ausgestanzten schwarzen Rohlinge, die vor uns liegen, sind entsprechend aus einem neu entwickelten GORE-TEX INFINIUM™ Stretch Material. Winddicht, wasserabweisend und extrem atmungsaktiv. Sie sollen nun von uns an einer den Industrienähmaschinen im Musteratelier von Gore mit nur einer Naht zusammengenäht werden, weil mehr Nähte laut Florian nur behindern und die Taktilität stören. Handarbeit war noch nie meine Stärke und schlechte Erinnerungen aus Schulzeiten kommen hoch. Die beiden Näherinnen Regina und Heidi stehen aber hilfreich zur Seite: „Zehen, Ferse, Knie“, in tiefstem Oberbayerisch geben sie uns ihre Anweisungen für die Betätigung der Maschine und zeigen, wie man das Stretchmaterial am besten in Form bringt. Das Nähen der Finger ist heikel, die eigene Feinmotorik stößt an ihre Grenzen und ich lasse mir gerne helfen. Schließlich will ich die Handschuhe ja später auch anziehen können. Jeder sucht sich noch ein Logo aus und fügt es mit der Presse auf den Stoff. Der nächste Gang führt uns mit unserer zusammengenähten Handschuhteilen in ein Labor, wo die Handschuhe in einem speziellen Ofen erwärmt werden. Danach stülpen wir sie über speziell gefertigte, anatomisch vorgeformte Kunsthände, ähnlich dem Leisten eines Schuhs. „Die Hitze sorgt dafür, dass ein Teil der Rückstellkraft des elastischen Materials verloren geht. Damit bleibt der Handschuh in Form und trotzdem elastisch,“ erklärt Florian. Dieser innovative Herstellungsprozess bedeutet etwa 30 Prozent weniger Nähte und Materialverbrauch sowie ein höheres Griffgefühl. Zurück im Musteratelier helfen uns Heidi und Regina bei der finalen Fertigstellung der Stulpen, wo wir stolz unsere Unikate anprobieren. Diese dürfen heute ausnahmsweise so mit nach Hause. Bevor Handschuhe mit GORE-TEX oder GORE-TEX INFINIUM™ aber normalerweise in den Handel gehen, müssen sie noch diverse strenge Tests und Qualitätsprüfungen im GORE-Labor schadlos überstehen.

    Meinen ersten Praxistest haben die Handschuhe jedenfalls gut und überzeugend gemeistert. Sie sitzen wie eine zweite Haut, sind angenehm zu tragen und das lästige An- und Ausziehen bleibt einem weitgehend erspart, da die natürliche Fingerfertigkeit kaum eingeschränkt wird. Auch die Bedienung von Touchscreens funktioniert einwandfrei. Bei wirklich kalten Temperaturen im Winter eignen sie sich sicher auch gut als Baselayer. Wer sich nicht nur einmal beim Fotografieren die Finger abgefroren hat, weiß diese dünne, winddichte und wasserabweisende Schicht zu schätzen.

    Produkttipp:

    Der GORE® M GORE-TEX INFINIUM™ STRETCH HANDSCHUH ist ein Multifunktionshandschuh für den Outdoorbereich und auch für andere Sportarten wie Laufen und Radfahren einsetzbar. Das GORE-TEX INFINIUM™ Stretch Material ist winddicht, wasserabweisend und die Hände bleiben bei kühlem und windigem Wetter angenehm warm, trocken und geschützt. Ihre hautnahe Passform erhöht zudem die Atmungsaktivität, weil keine Luftkammern überwunden werden müssen und die Feuchtigkeit durch das Material direkt nach außen gelangen kann. Das Modell ist seit Anfang Dezember 2018 im Handel für 44,95 € erhältlich.

    Petra Rapp Petra Rapp

    Petra Rapp

    Ski- und Outdoor-Expertin. Petra ist studierte Kommunikationswirtin und arbeitet seit über 20 Jahren als freie Journalistin und Texterin. Sie schreibt für diverse Bergsport- und Skimagazine sowie für mehrere Tageszeitungen. Dem Skisport ist sie als frühere Rennläuferin und Skilehrerin nicht nur schreibend nach wie vor eng verbunden: Sie nutzt ihren bergnahen Standort im Inntal in jeder freien Minute, um selbst draußen multisportiv unterwegs zu sein, im Winter gerne immer öfter auch mit den Tourenskiern oder in der Loipe, im Sommer für Bergtouren, auf dem Bike oder laufend. (www.petra-rapp.blogspot.com)

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